Forschung
Humanoide Roboter: Game Changer oder Irrweg? - © Mit Dall-E 3 generiertes KI-Bild
12.03.2025

Humanoide Roboter: Game Changer oder Irrweg?

Das Potenzial Humanoider Roboter wird oft gerühmt, aber konkrete Anwendungen sind noch selten. Eine Studie, die das Fraunhofer IPA im Rahmen des KI-Fortschrittszentrums veröffentlicht hat, analysiert den Status quo und leitet aus Recherchen, Interviews und Umfragen Handlungsempfehlungen für einen
sinnvollen industriellen Einsatz ab.

Neuigkeiten über Humanoide Roboter mit typischerweise zwei Armen und wahlweise zwei Beinen oder einer mobilen Plattform überschlagen sich momentan. Neue Modelle oder Fähigkeiten und mitunter massive Investitionen in die Technologie sind regelmäßig in den Medien zu finden. Reale Piloteinsätze von Humanoiden sind jedoch noch rar. Deshalb stellt sich die Frage, was diese Technologie Unternehmen tatsächlich für Mehrwerte bringen kann und was es braucht, um sie in die Praxis zu bringen.

Möglichkeiten und Grenzen Humanoider Roboter

Basierend auf über 100 Rückmeldungen von Fachleuten aus der Industrie gibt eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA Antworten. So wurden als mögliche und sinnvolle Einsatzszenarien von Humanoiden am häufigsten der Materialtransport, das Maschinenbeladen und das Greifen komplexer Gegenstände genannt.

Gegenüber bisherigen Lösungen sollten Humanoide insbesondere durch ihre Flexibilität bei der Ausführung verschiedener Aufgaben hervorstechen. Werner Kraus, Leiter des Forschungsbereichs Automatisierung und Robotik und Mitherausgeber der Studie, erklärt: »Genau die Kombination aus möglichen Ortswechseln und flexibler Greiftechnik ist in meinen Augen »gamechanging«. Denn hiermit können auch Aufgaben in bestehenden Anlagen, dem Brownfield, mit geringem Integrationsaufwand automatisiert werden.«

Die Befragten der Studie sehen die technischen Möglichkeiten von Humanoiden aktuell jedoch noch zurückhaltend. Technologisch gesehen werden Humanoide laut den Umfrageergebnissen vermutlich erst einmal Aufgaben ausführen, bei denen Genauigkeit, Systemstabilität oder Prozessgeschwindigkeit als Roboterfähigkeiten weniger relevant sind. So wurde häufig der Transport von Kisten als mögliche Aufgabe gesehen. Ob Humanoide für die gewünschten Aufgaben zwei Beine haben müssen, bezweifeln allerdings 60 Prozent der Befragten. Sie finden eine radgetriebene Plattform oder gar eine stationäre Anwendung mit einem Zweiarmroboter zweckmäßiger.

Sicherheit und Wirtschaftlichkeit als zentrale Kriterien

Die größte Herausforderung beim Praxiseinsatz ist die funktionale Sicherheit, die aktuell noch weitgehend ungeklärt ist und aufgrund des Roboteraufbaus besondere
Anforderungen stellt, beispielsweise hinsichtlich ihrer Stabilität. »Deshalb sehe ich als wahrscheinliche Szenarien für erste Einsätze vorerst keinen Mischbetrieb mit dem
Menschen«, so Kraus.

Eine zu große Erwartungshaltung und Unklarheit über die Wirtschaftlichkeit sind weitere Hürden, die Unternehmen aktuell sehen. Etwa die Hälfte aller Befragten wäre bereit, für einen Humanoiden bis zu 100 000 Euro zu zahlen. Simon Schmidt, Geschäftsbereichsleiter am Fraunhofer IPA und Mitautor der Studie, stellt resümierend klar: »Meiner Ansicht nach wird es für einen erfolgreichen Einsatz von Humanoiden nicht nur Use Cases brauchen, die technisch möglich sind, sondern insbesondere auch Business Cases, die betriebswirtschaftlich interessant sind.«

Eine große Tendenz zeichnet sich bezüglich der Zeitschiene ab, wann Humanoide schätzungsweise in den Praxiseinsatz kommen könnten. Lediglich 6 Prozent der Befragten sehen sie bereits in den nächsten 2 Jahren in industriellen Anwendungen. Mit 74 Prozent sieht eine große Mehrheit einen möglichen Einsatz in 3 bis 10 Jahren als realistisch an.

Diese sieben Handlungsempfehlungen leitet das Autorenteam aus seinen Untersuchungen ab. 1 - © Fraunhofer IPA
Diese sieben Handlungsempfehlungen leitet das Autorenteam aus seinen Untersuchungen ab. 1 © Fraunhofer IPA
Vier Arbeitsschritte ermöglichen Handlungsempfehlungen

Das Autorenteam um Simon Schmidt, Joshua Beck, Lasse Höltge, Alexandra Huber und Ramez Awad erarbeitete die Studie in vier Etappen. Zunächst verschaffte sich das Team durch Recherchen einen wissenschaftlichen und technischen Überblick über Humanoide. Es folgten Experteninterviews mit Systemintegratoren und potenziellen Endanwendern zum Stand der Technik, Einsatzmöglichkeiten und künftigen Herausforderungen. Aufbauend auf diesen qualitativen Daten wurden mithilfe einer Umfrage quantitative Daten gesammelt. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) unterstützte hier, um möglichst viele Rückmeldungen zu erhalten. Im letzten Schritt wertete das Team die Daten aus und leitete Handlungsempfehlungen ab.

KI-Fortschrittszentrum bringt KI und Kognitive Robotik in die Anwendung

Die Studie ist aus Fördermitteln des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg entstanden und ein Ergebnis aus dem KI-Fortschrittszentrum »Lernende Systeme und Kognitive Robotik«. Das KI-Fortschrittszentrum wird gemeinsam vom Fraunhofer IPA und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO betrieben und hat das Ziel, Anwendungen rund um die Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik in die unternehmerische Praxis zu bringen. Ein Arbeitsschwerpunkt ist die Studienreihe »Lernende Systeme«, zu der auch die Studie über Humanoide zählt und die aktuell um weitere Veröffentlichungen zur KI und kognitiven Robotik erweitert wird.

Hier geht es zur Studie: www.ki-fortschrittszentrum.de/de/studien/humanoide_roboter.html

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